Schwarzwälder Orientteppich kehrt nach Hause zurück

Ein Orientteppich, handgefertigt im Schwarzwald? Was sich wie eine Zeitungsente liest, entspricht tatsächlich der Wahrheit, wurden doch zwischen 1925 und 1945 Orientteppich in den Gebäuden der ehemaligen Glashütte Buhlbach geknüpft. In guten Zeiten sollen rund 450 Frauen in der Teppichknüpferei beschäftigt gewesen sein, die die Teppiche mit den markanten Mustern "Made in Schwarzwald" herstellten. Ein Exemplar kehrt nun als Dauerleihgabe an seinen Entstehungsort zurück.
Knapp zwölf Quadratmeter ist er groß, seine Machart und sein Muster deuten auf einen klassischen Bidjar, einen Perserteppich, hin. Das gedämpftere Farbkolorit, die Spinnung der Wolle, die Art von Kette und Schuss, das stützende Gewebe eines handgeknüpften Teppichs, passen jedoch nicht in diese Herkunftsregion. Und auch sonst lässt sich das textile Kunstwerk nirgendwo so richtig einordnen.
Selbst Teppichsachverständiger und Geschäftsführer eines Fachgeschäfts für klassiche und moderne Teppiche, Stefan Drechsle, stand vor einem Rätsel. Er hatte den Teppich vor über fünfzehn Jahren als Besonderheit entdeckt und erworben. Da der Teppich aber hinsichtlich Herkunft nicht zugeordnet werden konnte, wurde er nie zum Verkauf angeboten, lag zur Seite und geriet in Vergessenheit. Erst als Drechsles Tochter, die in die Fußstapfen ihres Vaters trat, sich nach dem Teppich erkundigte, begann eine intensivere Recherche mit detektivischer Kleinarbeit.
Das Originaletikett mit dem Fabriknamen „OTK“, das glücklicherweise erhalten war, lieferte dafür den entscheidenden Hinweis. Dank ihm stießen die Drechsles online auf einen älteren Zeitungsartikel, der die Herkunft verriet. Das Ergebnis glich einer kleinen Sensation: Bei diesem Exemplar handelt es sich um einen Orientteppich „Made in Schwarzwald“ – um genau zu sein, in Baiersbronn-Buhlbach, Hauptsitz der Firma OTK, der Teinacher Orient-Teppich-Knüpfereien AG. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass im Schwarzwald einmal Orientteppiche geknüpft wurden,“ berichtet Stefan Drechsle. Ihm sei sofort klar gewesen, „der Teppich muss dahin zurück!“ Für die Übergabe des Teppichs in seine Heimat, trat er mit der Baiersbronn Touristik in Kontakt, die den Kulturpark Glashütte Buhlbach seit 2017 betreibt, nachdem der Förderverein Glashütte Buhlbach e.V. jahrelang der Träger war und für den Erhalt des Kulturdenkmals gekämpft hatte.
Wichtiger Wirtschaftszweig in Notzeiten
In Buhlbach hatten findige Kaufleute zu einer Zeit, in der große wirtschaftliche Not herrschte, Knüpfstühle anfertigen lassen, an denen Schwarzwälder Frauen und Mädchen von 1925 bis 1945 Orientteppiche knüpften. Die Teppichknüpferei, die in der stillgelegten Glashütte in Buhlbach betrieben wurde, bildete damit einen wichtigen Wirtschaftszweig: Im oberen Murgtal arbeitete fast aus jedem Haus jemand bei der OTK, in Spitzenzeiten sollen bis zu 450 Mitarbeiterinnen im Akkord Teppiche geknüpft haben.
Während der Kriegszeit wurden zahlreiche schwarzwälder Orientteppiche durch ihre Besitzer zur sicheren Aufbewahrung in die ehemalige Buhlbacher Glashütte zurückgebracht. Unglücklicherweise wurden sie ab 1945 von der französischen Besatzungsmacht in Besitz genommen, nach Frankreich abtransportiert und blieben dort verschollen. Die Knüpfstühle durften die Mitarbeiterinnen nach Aufgabe des Betriebs für weitere Heimarbeit behalten.
Einer dieser Knüpfstühle befindet sich bereits an seiner ehemaligen Wirkstätte und ist im Kulturpark Glashütte Buhlbach zu besichtigen. Ein zugehöriger Teppich fehlte bisher.
Mit dem rund 36 Kilogramm schweren Exemplar aus Drechsles Besitz, der ihn dem Kulturpark als Dauerleihgabe überlässt, schließt sich endlich diese Lücke.
Auf einem eigenen Gestell gekonnt in Szene gesetzt, können sich Besucher des Kulturparks von nun an von der handwerklichen Kunstfertigkeit des Orientteppichknüpfens im Schwarzwald vergangener Tage begeistern lassen.
Artikel in Carpet Home / II/2025
Das originale Label gibt den Hinweis auf "OTK"